Betreff
VB-2014-68; Bauvoranfrage zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses, An der Farbmühle, Flst. Nr. 5499
Vorlage
2014/134
Aktenzeichen
61.1
Art
Sitzungsvorlage (Beschluss)

 

1.    Ausgangslage

Dem Stadtbauamt liegt eine Bauvoranfrage vom 27.03.2014 (Eingang Stadtbauamt: 28.03.2014) vor. Geplant ist die Errichtung eines Mehrfamilienhauses im „Null-Energie“-Standard auf Flst. Nr. 5499 zwischen der „Farbmühle“ und dem Schleifweg in Kitzingen-Etwashausen (s. Anlage 1).

Der Antragsteller möchte mit der Bauvoranfrage folgende Fragestellungen planungsrechtlich geprüft wissen:

-       Zulässigkeit einer Überschreitung der Baugrenze nach Süden

-       Errichtung des Dachgeschosses als Staffelgeschoss mit begrüntem Flachdach

 

2.    Planungsrechtliche Bewertung

2.1      Rechtliche Ausgangssituation

Für den Bereich des geplanten Vorhabens ist der rechtskräftige Bebauungsplan Nr. 61 „Richthofenstraße – Schleifweg“ maßgeblich, in Kraft getreten am 30.10.1986 (s. Anlage 2).

Er setzt dort ein Mischgebiet gem. § 6 BauNVO (1977) in offener Bauweise mit max. 2 Vollgeschossen fest. Als Dachform sind Satteldächer mit einer Dachneigung von 35-45° zulässig, ausnahmsweise können auch Walmdächer zugelassen werden. Wand- bzw. Firsthöhen sind nicht geregelt.

Außerdem liegt das Baugrundstück vollständig innerhalb des amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebietes des Mains. Im Bebauungsplan ist daher die Höhe des Erdgeschossfußbodens für das Flurstück Nr. 5499 auf 187,5 m üNN festgesetzt. Die tatsächliche Geländehöhe des überbaubaren Grundstücksteils liegt bei ca. 136,00 m üNN (s. Anlage 3).

Wie aus der Begründung zum Bebauungsplan hervorgeht, wurde das Gebiet Mitte der 1980er Jahre überplant, um eine geordnete Fortsetzung der angrenzenden östlichen Bebauungsstruktur entlang der Richthofenstraße durch Schaffung von Planungsrecht zu ermöglichen. Dieser östliche Bereich ist nicht überplant. Im gesamten Umfeld besteht die bereits vorhandene Bebauung überwiegend aus 2- bis 3-geschossigen Wohnhäusern. Gewerbe tritt erst weiter östlich punktuell auf; nördlich und westlich des Plangebiets befinden sich landwirtschaftliche Nutzungen. Ziel des Bebauungsplans ist es, dort die planungsrechtlichen Möglichkeiten für weitere Mehrfamilienhäuser und vor allem frei stehende Einfamilienhäuser zu schaffen.

Anlass der Überplanung war die Verlegung eines Abwasserkanals im (damaligen) Feldweg zwischen der „Farbmühle“ und der Richthofenstraße, der somit auch die Entwässerung der angrenzenden Grundstücke und damit deren Bebaubarkeit ermöglichte.

Anmerkung:
Aus der Begründung zum Bebauungsplan geht nicht hervor, weshalb im Planumgriff ausschließlich ein Mischgebiet gem. § 6 BauNVO (1977) festgesetzt wurde. In Mischgebieten ist grundsätzlich ein „Nebeneinander“ von Wohnnutzung und das Wohnen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben zulässig. Derzeit einziger Gewerbebetrieb innerhalb des Plangebiets ist der Garten- und Landschaftsbaubetrieb Hartner in der Farbmühle. Die bislang umgesetzte Wohnnutzung im Plangebiet beträgt dagegen bereits deutlich mehr als 50%, d.h. weitere Wohnbebauung müsste daher künftig vor den ebenfalls zulässigen Gewerbebetrieben zurückstehen, da ansonsten die Festsetzung des Mischgebietes nicht mehr erfüllt werden kann (sog. „Etikettenschwindel“).

Ob die Festsetzung des Mischgebietes auch einen immissionsrechtlichen Hintergrund hatte, ist ebenfalls unklar, da keine Untersuchung dazu vorgenommen wurde.

 

2.2      Überbaubare Grundstücksfläche – Baugrenze

Der Antragsteller beantragt im Vorbescheid zum einen die Überschreitung der Baugrenze nach Süden. Grundsätzlich dürfen Gebäude oder Gebäudeteile festgesetzte Baugrenzen gem. § 23 Abs. 3 BauNVO nicht überschreiten, ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden.

Die Überschreitung durch den Baukörper beträgt dort gem. Planunterlagen bis zu 5 m (s. Anlage 4).

Eine Überschreitung der Baugrenze nach § 23 Abs. 3 BauNVO ist daher zunächst in dem beantragten Umfang nicht möglich.

Die Festsetzung einer Baugrenze zählt nach § 30 Abs. 1 BauGB zu den erforderlichen Mindestfestsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplanes. Sie ist somit in der Regel ein Grundzug der Planung und hat vor allem städtebauliche Auswirkungen hinsichtlich der baulichen Nutzung eines Baugrundstückes. Vor allem dient sie der Gliederung der Bebauung entlang der öffentlichen Verkehrsflächen und Bildung einer städtebaulichen Ordnung bzw. Struktur des überplanten Gebietes. Sie stellt das maßgebliche Instrument dar, um eindeutig die räumliche Bebaubarkeit eines Baugrundstücks zu bestimmen.

Eine Abweichung von den Baugrenzen ist in den übrigen Bereichen des Bebauungsplans bislang nicht festzustellen, von daher kann die Zustimmung hier auch nicht in Aussicht gestellt werden, selbst wenn die Überschreitung von bis zu 5 m nach Süden keine nachbarlichen Belange berührt.

 

2.3      Zahl der Vollgeschosse

Der Bebauungsplan regelt die maximale Zulässigkeit der Vollgeschosse für die Baukörper. Gemäß Planeinschrieb sind für das Baugrundstück maximal 2 Vollgeschosse zulässig.

Bei der Festsetzung der Zahl der zulässigen Vollgeschosse handelt es sich ebenfalls um eine erforderliche Mindestfestsetzung im Bebauungsplan (siehe oben). Sie dient der Gliederung der einzelnen Baukörper hinsichtlich der einzelnen Nutzungsebenen.

Der Antragsteller möchte diesbezüglich im Rahmen des Vorbescheids eine Abweichung geprüft haben, da das oberste Geschoss als zurückversetztes Terrassengeschoss (sog. Penthouse) mit begrüntem Flachdach geplant werden soll. Dies ist ein grundlegendes Gestaltungsmerkmal des von ihm geplanten „Null-Energie-Hauses“.

Wie aus dem beigefügten Schnitt (Anlage 4) und der Ansicht (Anlage 5) eines vergleichbaren Haustyps des Antragstellers ersichtlich wird, „springt“ das Dachgeschoss soweit zurück, dass es sich in den regulär zulässigen Dachraum eines Satteldaches mit max. zulässiger Dachneigung von 45° einpasst.

Das geplante oberste Geschoss stellt im vorliegenden Fall bei der Ausführung als „Terrassengeschoss“ trotz zurückversetzter Außenwände ein Vollgeschoss gem. Art. 2 BayBO dar. Somit kämen hier 3 Vollgeschosse zum Tragen.

Diesbezüglich könnte eine Befreiung in Aussicht gestellt werden, da dies auf die Anzahl der tatsächlich genutzten Geschosse gegenüber der zweigeschossigen Bauweise mit dem zulässigen Satteldach keine Auswirkungen hat.

Im Übrigen wurden in der Vergangenheit bereits Befreiungen zur Geschosszahl für den Bereich erteilt.

 

2.4      Dachform

Schließlich benötigt das Vorhaben auch eine Abweichung hinsichtlich der Dachform. Im Bebauungsplan ist im zeichnerischen Teil das „Satteldach“ mit einer Dachneigung von 35-45° als einzige Dachform festgesetzt. Gemäß textlicher Festsetzungen ist nur ausnahmsweise ein Walmdach zulässig, ebenso nur ausnahmsweise darf die Dachneigung um bis zu 5° unterschritten werden.

Die Regelung zulässiger Dachformen (in Verbindung mit der Dachneigung) ist eine ortsgestalterische Festsetzung.

Mit dieser Festsetzung wurde hier für das Gebiet die äußere Erscheinung der Baukörper hinsichtlich ihres obersten Abschlusses eindeutig vorgegeben. Abweichungen sind davon bislang nicht im Plangebiet anzutreffen.

Mit dem beabsichtigten Flachdach würde nun eine erstmalige Abweichung von dieser gestalterischen Norm erfolgen.

Auch wenn das Obergeschoss – wie unter Ziff. 2.3 dargestellt – ein Terrassengeschoss bildet, muss dieses nicht zwangsläufig mit einem Flachdach realisiert werden, die Umsetzung der Festsetzung mit Satteldach ist weiterhin möglich.

Eine Abweichung von diesem Grundzug ist daher gem. § 31 Abs. 2 BauGB ausdrücklich nicht anwendbar.

 

3.    Resümee

Aus Sicht der Verwaltung wird das Vorhaben, welches als „Musterhaus“ ein Beispiel für ökologische und höchst energiesparende Bauweise im Kitzingen darstellen soll, grundsätzlich befürwortet. Der geplante Standort ist dafür besonders sowohl unter Berücksichtigung der günstigen Erschließungsvoraussetzungen wie auch der topografischen und städtebaulichen Gegebenheiten geeignet.

Da sich das Vorhaben auf Grund der notwendigen Abweichung von grundlegenden Bebauungsplan-Festsetzungen (hier: Flachdach i.V.m. Staffelgeschoss und Überschreitung der Baugrenze) nicht realisieren lässt, empfiehlt die Verwaltung, dass die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Vorhaben geschaffen werden.

Der Bebauungsplan ist im zentralen Bereich zwischen den Straßen „An der Farbmühle“ und „Schleifweg“ zu ändern in Bezug auf die künftig zulässigen Rahmenbedingungen wie Dachform, überbaubare Fläche sowie das Maß der Bebauung.

Im Übrigen wird der eigentliche Bauantrag für das geplante „Null-Energie-Haus“ gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2.214 GO voraussichtlich genehmigungspflichtig durch den Verwaltungs- und Bauausschuss, da mehr als 5 Wohneinheiten vorgesehen sind bzw. die Bausumme voraussichtlich höher als 1 Mio. Euro betragen wird. Hier schlägt die Verwaltung vor, dass dies mit diesem Beschluss obsolet wird und dem Bauvorhaben grundsätzlich zugestimmt wird.

 

 

 

1.    Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.

 

2.    Der Verwaltungs- und Bauausschuss stimmt der Erteilung der Befreiung hinsichtlich der Dachform (hier: begrüntes Flachdach) in Verbindung mit einem 3. Vollgeschoss als Staffelgeschoss sowie der Überschreitung der Baugrenze des rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 61 „Richthofenstraße – Schleifweg“ nicht zu.

 

3.    Die Verwaltung wird beauftragt, das erforderliche Planungsrecht zu schaffen, indem der Bebauungsplan Nr. 61 „Richthofenstraße – Schleifweg“ angepasst wird.

 

4.    Eine weitere Behandlung im Verwaltungs- und Bauausschuss ist auf Grund dieses Grundsatzbeschlusses nicht mehr erforderlich. Der Stadtrat wird über den Abschluss des Bauvorhabens zu gegebener Zeit informiert.