Betreff
Mobilfunk - Stadt Kitzingen, hier: Sachstandsinformation zur Wiedererrichtung einer Mobilfunkanlage am Standort Herrnstraße 11
Vorlage
217/2010
Art
Sitzungsvorlage (Kenntnisnahme)

 

 

1.        Ausgangslage

 

a)        Am 15.03.1998 tritt die Gestaltungssatzung der Stadt Kitzingen in Kraft (enthält noch keine Regelungen zu Mobilfunk bzw. -antennen).

 

b)        Die erstmalige Errichtung einer Mobilfunkanlage (3 Sektorantennen, GSM 900) am Standort Herrnstraße 11 erfolgt im Mai 1998 auf einem Mast durch DeTeMobile Deutsche Telekom MobilNet GmbH (D1).

 

c)         Am 18.12.2003 tritt die 1. Änderung der Gestaltungssatzung der Stadt Kitzingen in Kraft (Änderung bzw. Ergänzung des § 17 „Antennenanlagen“).

 

d)        Im Juli 2004 erfolgt die Erweiterung des Standortes Herrnstraße 11 um einen zusätzlichen Mast mit 3 Sektorantennen (UMTS) durch die DFMG Deutsche Funkturm GmbH.

 

e)        Die Stadt Kitzingen erlässt diesbezüglich mit Schreiben vom 04.11.2004 eine Beseitigungsanordnung.

 

f)          Zwischen der Stadt Kitzingen und dem Betreiber DFMG Deutsche Funkturm GmbH kommt es zu einem Gerichtsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungs-gerichtshof (BayVGH).

 

g)        Am 09.08.2007 ergeht diesbezüglich ein Rechtskräftiges Urteil mit der Folge, dass der Betreiber DFMG alle Mobilfunkanlagen am Standort zurückbauen muss.

 

h)        Am 02.05.2008 stellt die DFMG Anträge (Eingang Bauamt 07.04.2008) auf Befreiung von der Gestaltungssatzung für die GSM- und UMTS-Mobilfunkanlagen am Standort Herrnstraße 11.

 

i)          Die Stadt Kitzingen fordert den Betreiber mit Schreiben vom 26.02.2010 letztmalig auf, die Mobilfunkanlagen auf Grund des rechtskräftigen Urteils zurückzubauen, andernfalls wird die Stadt eine Zwangsbeseitigung durchführen lassen.

 

j)          Am 29.06.2010 wird der Rückbau der gesamten Mobilfunkanlage am Standort Herrnstraße 11 vollzogen.

 

k)        Die DFMG zieht mit Schreiben vom 16.07.2010 (Eingang Bauamt 22.07.2010) beide Anträge auf Befreiung zurück.

 

l)          Mit Schreiben vom 04.08.2010 (Eingang Bauamt 10.08.2010) teilt die Deutsche Telekom GmbH mit, dass eine Wiedererrichtung einer Mobilfunkanlage am Standort Herrnstraße 11 unter Einhaltung der Gestaltungssatzung angestrebt wird.

 

m)      Die Stadt Kitzingen hat umgehend mit Schreiben vom 10.08.2010 Ihre grundsätzliche Mitwirkungspflicht gemäß Ziff. 1.2.2 der freiwilligen Selbstvereinbarung im Rahmen des Umweltpaktes Bayern II (Mobilfunkpakt II) mitgeteilt.

 

n)        Per Email erhält die Stadt Kitzingen am 15.09.2010 detaillierte Planunterlagen über die Wiedererrichtung der Mobilfunkanlage am Standort Herrnstraße 11.


 

o)        Am 28.09.2010 erfolgte die Inhaltliche Vorberatung im Arbeitskreis „Mobilfunk“.

 

p)        Mit Schreiben vom 30.09.2010 teilte die Stadt Kitzingen auf Empfehlung des Arbeitskreises einen Alternativstandort an die Deutsche Telekom mit.

 

 

2.        Planungsrechtliche Beurteilung

 

a)        Bestandssituation

Nach dem Rückbau der Mobilfunkanlagen von DFMG Deutsche Funkturm am 29.06.2010 befindet sich seitdem keine Anlage mehr in der Herrnstraße 11.

Der Standort befindet in sich im sog. unbeplanten Innenbereich und ist daher gemäß § 34 BauGB zu beurteilen.

Das Gebiet um den Standort Herrnstraße 11 ist in seiner Art der baulichen Nutzung als Mischgebiet einzustufen.

 

b)        Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Gestaltungssatzung

Die Ausführung der neu zu errichtenden Mobilfunkanlage entspricht nach den vorgelegten Planunterlagen den Vorgaben der Gestaltungssatzung.

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 der Gestaltungssatzung sind Mobilfunkanlagen dann nicht erlaubt, wenn sie über den Dachfirst hinausragen und von öffentlicher Verkehrsfläche aus einsehbar sind.

Die Umsetzung der neuen Antennenanlage wird hier beiden Kriterien gerecht, ein Verstoß ist nicht erkennbar. Insbesondere ist das Hinausragen über den Dachfirst zu verneinen. Zweifel könnten sich hier daraus ergeben, weil sich auf dem „eigentlichen“ Dach des Gebäudes Herrnstraße 11 ein weiterer Dachaufbau befindet, unter dem die Anlage errichtet werden soll.

Der Dachfirst ist definiert als höchste Kante an einem geneigten Dach, wo zwei Dachflächen aufeinander treffen. Dieser ist hier auf den Dachaufbau festzulegen und nicht auf der höchsten Kante des eigentlichen Daches.

Nach fachlicher Einschätzung ist dies damit zu begründen, dass der Dachaufbau im Verhältnis zur übrigen, tiefer liegenden Dachfläche keine eindeutig untergeordnete Stellung einnimmt und sich der Dachaufbau über mehr als ¾ der Länge des Daches erstreckt.

Demnach ragt die geplante Mobilfunkanlage nicht über den Dachfirst hinaus; selbst wenn dies zuträfe, ist sie dennoch nicht öffentlich einsehbar.

Ansonsten sind Verstöße gegen die Gestaltungssatzung auch nicht zu erkennen.

 

c)         Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften

Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Die Höhe der Antennen, einschließlich der Masten ist geringer als 10 m und die dazugehörige Versorgungseinheit hat einen Rauminhalt von weniger als 10 m³.

Die Mobilfunkanlage ist damit gemäß Art. 57 Abs.1 Nr. 5a) BayBO grundsätzlich verfahrensfrei.

Aus planungsrechtlicher Sicht ist das Vorhaben, mangels Bebauungsplan, nach
§ 34 BauGB zu beurteilen.

Das Gebiet um die Herrnstraße 11 ist als Mischgebiet einzustufen. Somit ist die Anlage nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO als sonstiger Gewerbebetrieb allgemein zulässig. Der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung bedarf es nicht.

Im Übrigen ist ein Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 34 BauGB nicht erkennbar.

 


 

3.        Resümee

 

Auf Grund der dargestellten Rechtssituation ist die Errichtung der Mobilfunkanlage in der vorliegenden Art und Weise am Standort Herrnstraße 11 zulässig.

 

 

4.        Handlungsmöglichkeiten

 

Neben dem derzeit noch laufenden Verfahren gemäß Mobilfunkpakt II hat sich der Arbeitskreis Mobilfunk in seiner letzten Sitzung am 28.09.2010 auch mit den Möglichkeiten auseinandergesetzt, Mobilfunk(anlagen) in der Innenstadt künftig zu regulieren.

 

a)        Allgemeines und Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB)

Als einziges und kurzfristig umsetzbares Mittel zur Steuerung von Mobilfunkanlagen in der Innenstadt kommt nur das Instrument der Bauleitplanung in Betracht. Dieses ist jedoch sachlich begrenzt durch die Grundsätze des § 1 BauGB.

Die Planung muss nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sein.

Es müssen also hinreichend gewichtige städtebauliche Belange für die Planung sprechen. Dabei ist die Erforderlichkeit anhand einer objektiven Betrachtungsweise zu prüfen.

Städtebauliche Belange müssen also die Zuweisung der Anlagen auf bestimmte Standorte erfordern. Fehlt es an entsprechenden städtebaulichen Belangen oder sind diese nur vorgeschoben, wäre eine entsprechende Planung als unzulässige Negativplanung rechtswidrig.

 

b)       Abwägung (§ 1 Abs. 6 und 7 BauGB)

Die Abwägung nach § 1 Abs. 6 und 7 BauGB spielt hier die entscheidende Rolle. Jede Bauleitplanung unterliegt dem Gebot gerechter Abwägung.

In diese Abwägung sind alle maßgeblichen öffentlichen und privaten Belange entsprechend ihrem jeweiligen Gewicht einzustellen.

Als öffentliche Belange sind auf die des Post- und Telekommunikationswesens (§ 1 Abs. 8 Nr. 8d BauGB) zu berücksichtigen.

Als private Belange in der Abwägung gelten etwa die der Mobilfunkbetreiber insbesondere im Hinblick auf deren Versorgungsauftrag.

Auch den Belangen der Mobilfunkbenutzer, gerade auch in Zusammenhang mit beruflicher und gewerblicher Nutzung, kommt insoweit Bedeutung zu.

Daraus ergibt sich wiederum, dass die Gemeinde auch die technischen Erfordernisse einer flächendeckenden Grundversorgung in die Abwägung einstellen muss.

 

c)        Sicherung der Bauleitplanung

Zur Sicherung der Planung im künftigen Plangebiet kann sich die Gemeinde bestimmter Sicherungsinstrumente bedienen.

Dies trifft hier konkret auf die sog. Veränderungssperre gem. § 14 BauGB zu. Deren Rechtmäßigkeit setzt neben einem ordnungsgemäß gefassten und bekannt gemachten Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes voraus, dass die Gemeinde mit ihrer Planung ein Ziel verfolgt, das im konkreten Fall mit den Mitteln der Bauleitplanung in rechtmäßiger Weise erreicht werden kann.

Die zu sichernde Planung muss damit insbesondere im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich erforderlich sein.

 


 

5.        Weiteres Vorgehen

 

a)        Mobilfunkpakt II

Nachdem weder eine Einwirkungsmöglichkeit im Rahmen eines Genehmigungs-verfahrens noch der Ausnahme- bzw. Befreiungserteilung bestehen, bleibt zunächst als Handlungsmöglichkeit eine Mitwirkung nach dem Mobilfunkpakt II.

Dies ist seitens der Stadt Kitzingen umgehend erfolgt. Es wurde ein Alternativstandort fristgerecht an die Deutsche Telekom mitgeteilt, nachdem der Sachverhalt im Arbeitskreis Mobilfunk am 28.09.2010 vorberaten wurde.

Jedoch konnte das Gutachten der Fa. enorm aus dem Jahr 2007 hier nicht herangezogen werden, da es ausdrücklich keinen Alternativstandort für die Herrnstraße vorsieht.

Ein maßgebliches Ziel des Gutachtens war es, die Mobilfunkimmissionen einerseits zu minimieren, aber auch nur kritische Standorte durch Alternativen zu ersetzen.

In Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 4 des Gutachtens) wird der Standort für eine Innenstadtversorgung durch die Deutsche Telekom (D1) als geeignet und notwendig eingestuft.

Sollte es nach Prüfung des Vorschlags durch den Betreiber (innerhalb von 15 Tagen) nicht zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, ist innerhalb von 30 Tagen ab Einbringung des Vorschlags ein abschließendes Gespräch zwischen Kommune und Betreiber vorgesehen.

Der Betreiber kann danach, unter Beachtung der immissionsrechtlichen und baurechtlichen Vorschriften die Anlage an dem aus seiner Sicht geeigneten Standort errichten.

 

b)        Bauleitplanung

Aus Sicht der Verwaltung ist es zwar grundsätzlich möglich, das Thema Mobilfunk in der Innenstadt durch die Bauleitplanung künftig zu regeln, nicht jedoch in der Kürze der Zeit.

Zum einen spricht die Größe der Innenstadt („Altstadtdreieck“) mit ca. 35 ha dagegen, eine solche Fläche mit einem einzigen oder mehreren Bebauungsplänen in kürzester Zeit zu überplanen. Zum anderen fehlt es an entsprechenden städtebaulichen Gründen, die hier eine Bauleitplanung überhaupt rechtfertigen.

Mobilfunk bzw. auch das Thema Gesundheitsvorsorge kann nur ein „Teilaspekt“ sein, der in die Planung mit einfließt.

Allein bei der Größe der zu überplanenden Fläche gilt es zu beachten, dass es sich nicht um eine „grüne Wiese“ sondern um vollständig bebaute Flächen handelt, die in einer gründlichen Bestandsaufnahme zunächst zu erfassen wären, da mit dem Bebauungsplan keine Einschränkungen des Bestandes einhergehen dürfen.

Schließlich sei auf die derzeit in der Innenstadt geltenden 5 Bebauungspläne hingewiesen, die beispielsweise in einem Parallelverfahren aufzuheben oder zu ändern wären.

Für einen Aufstellungsbeschluss und eine sofort daran anknüpfende Veränderungs-sperre fehlen letztendlich die städtebaulichen Gründe. Somit besteht das Risiko eines abwägungsfehlerbehafteten Bebauungsplanes mit der Folge, dass dieser einer Rechtsüberprüfung nicht standhalten würde.

Vergleichbare Versuche, ganze Innenstädte oder Stadtteile mittels Bebauungsplanung von Mobilfunk komplett frei zu halten sind in Deutschland bislang rechtlich, in aller Regel wegen Abwägungsfehlern, gescheitert.

Im Übrigen benötigt die Stadt als Planungsgrundlage auch ein aktuelles technisches Gutachten, das ein solches Vorgehen mit belastbaren Aussagen stützt.

 

 

 

Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.