Betreff
Festlegung eines Straßennamen im Baugebiet "Am Wilhelmsbühl"
Vorlage
2021/124
Art
Sitzungsvorlage (Beschluss)
  1. Ausgangslage:

Für die im Bau befindliche Straßenanlage der „Jaku Projektentwicklung Am Wilhelmsbühl GmbH und Co. KG“ (Erweiterung des Bebauungsplanes Nr. 71 „Am Wilhelmsbühl) ist ein Name zu vergeben. Siehe hierzu auch den beigefügten Lageplan. Die Straße bildet einen Nebenstrang zur Straße „Am Wilhelmsbühl“, eine logische und nachvollziehbare Vergabe von Hausnummern wäre sonst nicht machbar.

In Vorbereitung dieses Beschlusses hat das SG 60 recherchiert, wie sich die derzeitigen benannten Straßen im Stadtgebiet Kitzingen aufteilen:

Von den insgesamt 277 Straßen fallen

  39 (14,1 %)   auf allgemeine Bezeichnungen (Alemannenstraße, Berlingsgasse etc.)

  51 (18,4 %)   auf männliche Personen (Engelbert-Bach, Florian-Geyer etc.)

    2 (0,7 %)     auf weibliche Personen (Amalienweg, Olga-Pöhlmann-Str.)

175 (63,2 %)   auf Ortsnamen (Äußere-Sulzfelder-Str., Am Dreistock etc.)

    6 (2,2 %)     auf botanische Begriffe (Distelweg, Holunderweg etc.)

    4 (1,4 %)     auf den Bereich der Fauna (Drosselweg, Nachtigallenweg etc.

Da der Straßenbestand mit weiblichen Namensträgerinnen deutlich unterrepräsentiert ist, schlägt die Verwaltung vor, in nächster Zeit bei der Benennung von Straßen vorerst nur noch diese Personengruppe zu berücksichtigen.

 

  1. Namensvorschläge:

Folgende Namen schlägt die Verwaltung vor:

a):  Hedwig von Schlesien (um 1174 – 1243)

Die Heilige Hedwig ist ein entscheidendes Bindeglied zwischen Kitzingen und seiner Partnerstadt Trzebnica in Niederschlesien, auch wenn sie bereits fast neun Jahrhunderte tot ist. Sie hat die Brücke zu dieser seit 2009 bestehenden Partnerschaft geschlagen.

Die junge Hedwig, Tochter des Herzogs Berthold von Andechs-Meranien, erhielt zum Ausgang des 12. Jahrhunderts im Benediktinerinnenkloster Kitzingen ihre erste Ausbildung und erlernte die Anfänge der Heiligen Schrift, mit deren Studium sie auch ihre Jugendzeit verbrachte. Hier erlangte sie erste Kenntnisse des Lateins und der kirchlichen Gebete, bevor sie, gerade erst 12 Jahre alt, mit Herzog Heinrich von Schlesien und Polen verheiratet wurde.

 

Ausschlaggebend für die Wahl des damals zum Hochstift Bamberg gehörenden Klosters Kitzingen dürfte gewesen sein, dass Otto II. von Andechs-Meranien, ein Onkel Hedwigs, zu dieser Zeit Bischof von Bamberg war. Als eine von Hedwigs Erzieherinnen ist die Nonne Petrissa überliefert, die später die erste Äbtissin des von Hedwig und ihrem Gemahl gegründeten Klosters Trzebnica werden sollte, das schnell für 1000 Nonnen, Zöglinge und Dienstpersonal ausgebaut wurde.

 

Im heiratsfähigen Alter wurde Hedwig mit dem Piastenherzog Heinrich l. von Schlesien vermählt. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor. Hedwig unterstützte ihren Gemahl bei der Vertiefung des christlichen Lebens und förderte mit ihm auch die kulturelle Entwicklung des Landes. Wie ihre Nichte, die Heilige Elisabeth, ist sie ein Vorbild christlicher Nächstenliebe. 1238 wurde sie Witwe, drei Jahre später fiel ihr ältester Sohn Heinrich im Kampf gegen die Mongolen.

 

Sie starb am 15. Oktober 1243 im Zisterzienserinnenkloster Trzebnica, in dem sie als Witwe gelebt hatte. Hedwig wurde in der Klosterkirche begraben und bereits 1267 von Papst Clemens IV. heiliggesprochen.

 

b): Bella Fromm (1890 – 1971):

 

Die 1890 in Kitzingen als Tochter des jüdischen Weinhändlers Siegfried Fromm geborene Bella Fromm wuchs in der Wörthstraße 12 auf. Sie war die Nichte von Kommerzienrat Max Fromm, dem größten Kitzinger Weinhändler. Die Familie Fromm war bestens assimiliert und gesellschaftlich hoch anerkannt. Anders als bei sonstigen wohlhabenden Familien bekam die junge Bella eine vielseitige praktische Ausbildung, wovon sie später profitieren konnte.

 

Bella Fromm heiratete 1911 einen Berliner Fabrikantensohn und lebte seitdem in der pulsierenden Hauptstadt, wo sie ihr Geld als Sport-, Mode- und Gesellschaftsreporterin verdiente. Sie kannte daher viele Menschen mit Rang und Namen. Das 1933 ausgesprochene Schreibverbot für Juden traf sie hart und wie ihr Onkel Max wanderte sie 1938 nach Amerika aus. 1943 brachte sie in New York ihre Erinnerungen unter dem Titel „Blood and Banquets“ heraus, ein Bestseller! Das Buch beruhte auf ihren Tagebucheinträgen.

 

Erst 1993 erschien ihre Autobiografie auf Deutsch „Als Hitler mir die Hand küsste“. Dies ist ihr bekanntestes Werk. Darin berichtet sie aus ihrer Zeit als Gesellschaftsreporterin des Ullstein-Verlags von 1928 bis 1934 und der Zeit des Exils in Amerika, wohin sie im September 1938 emigrierte. Ihre Tagebücher, die von 1930 bis zu ihrer Emigration im September 1938 reichen, dokumentieren wie kaum ein anderes Zeugnis den politisch-moralischen Verfall der deutschen Oberschicht. Selten wurde der Aufstieg des Nationalsozialismus, das allmähliche Einsickern der NS-Ideologie in die gesellschaftlich führenden Kreise so atmosphärisch dicht geschildert und zugleich so hellsichtig kommentiert.

 

c): Katharina Schuck

 

Bei der ersten Kommunalwahl nach Ende des Ersten Weltkriegs am 15. Juni 1919 schafft erste Frau in der Geschichte Kitzingens die 38-jährige Katharina Schuck (SPD), die auf der Wahlvorschlagsliste auf Platz 5 und damit weit vorne stand, den Sprung in den neu gewählten Stadtrat.

Katharina Schuck, geboren am 25. November 1880 in Sulzfeld, war die Tochter des Polizeidieners Johann Hering und heiratete 1900 den Würzburger Schuhmacher Paul Schuck. Die Familie Schuck wohnte seit September 1917 in der Repperndorfer Straße in Kitzingen.

Die Mutter von vier Kindern ist eine von vier Frauen, die für eine Kandidatur gewonnen werden konnten. Ihre Parteigenossin Anna Ettinger sowie Marie Huber und Magdalene Nickel (beide DDP) komplettieren das Quartett.

Katharina Schucks Redebeiträge waren selten, meistens äußerte sie sich zu Lebensmittelproblemen und Versorgungsengpässen. Auf eigenen Wunsch schied sie Ende November 1921 aus dem Stadtrat, so dass die Männer bis zur Kommunalwahl 1948 wieder unter sich bleiben. Die Familie Schuck zog wieder zurück nach Würzburg und so verwischen sich die wenigen Spuren der ersten Kitzinger Stadträtin.

 

d): Edith Herzlieb (1929 – 2016)

 

Edith Herzlieb hat über Jahre als Gauschützenmeisterin den Schießsport und die Schützen im Landkreis Kitzingen geprägt. Sie wurde in Berlin geboren und kam 1944 durch die Wirren des Krieges nach Kitzingen. Hier lernte Edith Herzlieb ihren künftigen Mann Ullrich kennen, den sie 1947 heiratete. Er war es, der sie in den 60er Jahren zu den Schützen brachte – mit Erfolg. Aus der Anfängerin wurde eine mehrmalige bayerische Meisterin im Sportschießen und zweimalige deutsche Vizemeisterin.

Es war ein schwerer Schlag für Edith Herzlieb, als ihr Mann 1992 starb. Den Schützen blieb sie dennoch eng verbunden. Von 1972 bis 1991 war sie Gaudamenleiterin, von 1985 bis 1988 stellvertretende Bezirksjugendleiterin, danach bis 1993 Bezirksjugendleiterin. Von 1991 bis 2003 war Herzlieb Gauschützenmeisterin und die erste Frau in Bayern, die einen solchen Posten in der damals von Männern dominierten Schützenwelt übernahm.

Die Öffentlichkeits- und Pressearbeit war eine ihrer Stärken. Sie war lange Jahre als freie Berichterstatterin für die Main-Post aktiv. Schützenberichte aus dieser Zeit trugen alle die Handschrift Herzliebs und brachten den Schießsport nach vorne.

Die Krönung ihrer ehrenamtlichen Arbeit war die Herausgabe einer Dokumentation über das Schützenwesen im Schützengau Kitzingen und die Erstellung der Chronik und Festschrift zum 600-jährigen Jubiläum der Königlich privilegierten Schützengesellschaft Kitzingen.

Herzlieb wurde mit dem Ehrenbrief des Landkreises und dem Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten für Verdienste im Ehrenamt geehrt und zur Ehren-Gauschützenmeisterin ernannt. Zudem erhielt sie die Bürgermedaille der Stadt Kitzingen.

 

e): Dagmar Voßkühler (1944 – 2013)

 

Dagmar Voßkühler war Lehrerin, war aber in der Bevölkerung allgemein bekannt

als ehrenamtlich engagierte Frau. Sie war Vorsitzende des Fördervereins Alte Synagoge, im Arbeitskreis Asyl der Caritas, im „Inner-Wheel-Club“ der Rotarier, aber auch in der Pflege des jüdischen Friedhofs in Rödelsee.

Ihr besonderes Augenmerk lag im Kampf gegen das Vergessen der Nazi-Verbrechen. Sozial benachteiligte oder durch Kriegswirren traumatisierte Kindern half sie durch ihre Initiative zur Hausaufgabenbetreuung.

Die Anerkennung der Gesellschaft für Ihr Wirken spiegelte sich in der Verleihung des Kuno-Meuschel-Preises (2000) und des Dr.-Erwin-Rumpel-Preises (2012).

Herr Jakubczyk als Bauherr des erweiterten Baugebietes favorisiert diesen Namen.

 

 

  1. weitere Anmerkungen:

Auf einen Vorschlag für eine Lage- bzw. Flurbezeichnung hat die Verwaltung verzichtet, da die Grundstücke in der Flurlage „Am Frohnberg“ liegen und eine „Frohnbergsstraße“ zu viel Ähnlichkeit mit dem bereits bestehenden Frohnbergsweg hätte und zu Verwechslungen führen würde.

Das bereits vorhandene Gebäude „Am Wilhelmsbühl 42 a“ (Familie Sylvia und Jens Ullmann) wäre künftig durch die neue Straße erschlossen. Familie Ullmann lehnt aber eine Umbenennung Ihres Anwesens ab. Dem kann die Verwaltung folgen.

Die Grundstücke Fl.Nr. 1734/2 und 1734/4 sind sowohl durch die Straße Am Wilhelmsbühl als auch künftig durch die neue Straße erschlossen. Diese Grundstücke sind aber bereits jetzt für die Nummerierung 42 bzw. 44 vorgesehen, daher ist hier keine Änderung veranlasst, die Hausnummern der neuen Straße beginnen daher erst ab der jetzigen Fl.Nr. 1734/1 zu laufen.

Siehe hierzu auch den beiliegenden Lageplan.

 

1.    Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.

 

2.    Die Erschließungsanlage im Baugebiet „Am Wilhelmsbühl“ (Privatmaßnahme der Jaku Projektentwicklung Am Wilhelmsbühl GmbH und Co. KG) erhält den Namen:

a.    Hedwig von Schlesien Straße (oder Hedwig-Straße)

alternativ:

b.    Bella-Fromm-Straße

alternativ:

c.     Katharina-Schuck-Straße

alternativ:

d.    Edith-Herzlieb-Straße

alternativ:

e.    Dagmar-Voßkühler-Straße