- Ausgangslage:
Für die im Bau befindliche Straßenanlage der „Jaku Projektentwicklung Am Wilhelmsbühl GmbH und Co. KG“ (Erweiterung des Bebauungsplanes Nr. 71 „Am Wilhelmsbühl) ist ein Name zu vergeben. Siehe hierzu auch den beigefügten Lageplan. Die Straße bildet einen Nebenstrang zur Straße „Am Wilhelmsbühl“, eine logische und nachvollziehbare Vergabe von Hausnummern wäre sonst nicht machbar.
In Vorbereitung dieses Beschlusses hat das SG 60 recherchiert, wie sich die derzeitigen benannten Straßen im Stadtgebiet Kitzingen aufteilen:
Von den insgesamt 277 Straßen fallen
39 (14,1 %) auf allgemeine Bezeichnungen (Alemannenstraße, Berlingsgasse etc.)
51 (18,4 %) auf männliche Personen (Engelbert-Bach, Florian-Geyer etc.)
2 (0,7 %) auf weibliche Personen (Amalienweg, Olga-Pöhlmann-Str.)
175 (63,2 %) auf Ortsnamen (Äußere-Sulzfelder-Str., Am Dreistock etc.)
6 (2,2 %) auf botanische Begriffe (Distelweg, Holunderweg etc.)
4 (1,4 %) auf den Bereich der Fauna (Drosselweg, Nachtigallenweg etc.
Da der Straßenbestand mit weiblichen Namensträgerinnen deutlich unterrepräsentiert ist, schlägt die Verwaltung vor, in nächster Zeit bei der Benennung von Straßen vorerst nur noch diese Personengruppe zu berücksichtigen.
- Namensvorschläge:
Folgende Namen schlägt die Verwaltung vor:
a): Hedwig
von Schlesien (um 1174 – 1243)
Die
Heilige Hedwig ist ein entscheidendes Bindeglied zwischen Kitzingen und seiner
Partnerstadt Trzebnica in Niederschlesien, auch wenn sie bereits fast neun
Jahrhunderte tot ist. Sie hat die Brücke zu dieser seit 2009 bestehenden
Partnerschaft geschlagen.
Die junge Hedwig, Tochter des Herzogs
Berthold von Andechs-Meranien, erhielt
zum Ausgang des 12. Jahrhunderts im Benediktinerinnenkloster Kitzingen ihre
erste Ausbildung und erlernte die Anfänge der Heiligen Schrift, mit deren
Studium sie auch ihre Jugendzeit verbrachte. Hier erlangte sie erste Kenntnisse
des Lateins und der kirchlichen Gebete, bevor sie, gerade erst 12 Jahre
alt, mit Herzog Heinrich von Schlesien und Polen verheiratet wurde.
Ausschlaggebend für die Wahl des damals zum
Hochstift Bamberg gehörenden Klosters Kitzingen dürfte gewesen sein, dass Otto
II. von Andechs-Meranien, ein Onkel Hedwigs, zu dieser Zeit Bischof von Bamberg
war. Als eine von Hedwigs Erzieherinnen ist die Nonne Petrissa überliefert, die
später die erste Äbtissin des von Hedwig und ihrem Gemahl gegründeten Klosters
Trzebnica werden sollte, das schnell für 1000 Nonnen,
Zöglinge und Dienstpersonal ausgebaut wurde.
Im heiratsfähigen Alter wurde Hedwig mit dem Piastenherzog Heinrich
l. von Schlesien vermählt. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor. Hedwig
unterstützte ihren Gemahl bei der Vertiefung des christlichen Lebens und
förderte mit ihm auch die kulturelle Entwicklung des Landes. Wie ihre Nichte,
die Heilige Elisabeth, ist sie ein Vorbild christlicher Nächstenliebe. 1238
wurde sie Witwe, drei Jahre später fiel ihr ältester Sohn Heinrich im Kampf
gegen die Mongolen.
Sie starb am 15. Oktober 1243 im
Zisterzienserinnenkloster Trzebnica, in dem sie als Witwe gelebt hatte. Hedwig
wurde in der Klosterkirche begraben und bereits 1267 von Papst Clemens IV.
heiliggesprochen.
b):
Bella Fromm (1890 – 1971):
Die 1890 in Kitzingen als Tochter des
jüdischen Weinhändlers Siegfried Fromm geborene Bella Fromm wuchs in der
Wörthstraße 12 auf. Sie war die Nichte von Kommerzienrat Max Fromm, dem größten
Kitzinger Weinhändler. Die Familie Fromm war bestens assimiliert und
gesellschaftlich hoch anerkannt. Anders als bei sonstigen wohlhabenden Familien
bekam die junge Bella eine vielseitige praktische Ausbildung, wovon sie später
profitieren konnte.
Bella Fromm heiratete 1911 einen Berliner
Fabrikantensohn und lebte seitdem in der pulsierenden Hauptstadt, wo sie ihr
Geld als Sport-, Mode- und Gesellschaftsreporterin verdiente. Sie kannte daher
viele Menschen mit Rang und Namen. Das 1933 ausgesprochene Schreibverbot für
Juden traf sie hart und wie ihr Onkel Max wanderte sie 1938 nach Amerika aus.
1943 brachte sie in New York ihre Erinnerungen unter dem Titel „Blood and
Banquets“ heraus, ein Bestseller! Das Buch beruhte auf ihren Tagebucheinträgen.
Erst 1993 erschien ihre Autobiografie auf
Deutsch „Als Hitler mir die Hand küsste“. Dies ist ihr bekanntestes Werk. Darin
berichtet sie aus ihrer Zeit als Gesellschaftsreporterin des Ullstein-Verlags
von 1928 bis 1934 und der Zeit des Exils in Amerika, wohin sie im September
1938 emigrierte. Ihre Tagebücher, die von 1930 bis zu ihrer Emigration im
September 1938 reichen, dokumentieren wie kaum ein anderes Zeugnis den
politisch-moralischen Verfall der deutschen Oberschicht. Selten wurde der
Aufstieg des Nationalsozialismus, das allmähliche Einsickern der NS-Ideologie
in die gesellschaftlich führenden Kreise so atmosphärisch dicht geschildert und
zugleich so hellsichtig kommentiert.
c):
Katharina Schuck
Bei der ersten Kommunalwahl nach Ende des
Ersten Weltkriegs am 15. Juni 1919 schafft erste Frau in der Geschichte
Kitzingens die 38-jährige Katharina Schuck (SPD), die auf der
Wahlvorschlagsliste auf Platz 5 und damit weit vorne stand, den Sprung in den
neu gewählten Stadtrat.
Katharina Schuck, geboren am 25. November
1880 in Sulzfeld, war die Tochter des Polizeidieners Johann Hering und
heiratete 1900 den Würzburger Schuhmacher Paul Schuck. Die Familie Schuck wohnte
seit September 1917 in der Repperndorfer Straße in Kitzingen.
Die Mutter von vier Kindern ist eine von
vier Frauen, die für eine Kandidatur gewonnen werden konnten. Ihre
Parteigenossin Anna Ettinger sowie Marie Huber und Magdalene Nickel (beide DDP)
komplettieren das Quartett.
Katharina Schucks
Redebeiträge waren selten, meistens äußerte sie sich zu Lebensmittelproblemen
und Versorgungsengpässen. Auf eigenen Wunsch schied sie Ende November 1921 aus
dem Stadtrat, so dass die Männer bis zur Kommunalwahl 1948 wieder unter sich
bleiben. Die Familie Schuck zog wieder zurück nach Würzburg und so verwischen
sich die wenigen Spuren der ersten Kitzinger Stadträtin.
d): Edith Herzlieb (1929 – 2016)
Edith Herzlieb hat
über Jahre als Gauschützenmeisterin den Schießsport und die Schützen im
Landkreis Kitzingen geprägt. Sie wurde in Berlin geboren und kam 1944 durch die
Wirren des Krieges nach Kitzingen. Hier lernte Edith Herzlieb ihren künftigen
Mann Ullrich kennen, den sie 1947 heiratete. Er war es, der sie in den 60er
Jahren zu den Schützen brachte – mit Erfolg. Aus der Anfängerin wurde eine
mehrmalige bayerische Meisterin im Sportschießen und zweimalige deutsche
Vizemeisterin.
Es war ein
schwerer Schlag für Edith Herzlieb, als ihr Mann 1992 starb. Den Schützen blieb
sie dennoch eng verbunden. Von 1972 bis 1991 war sie Gaudamenleiterin, von 1985
bis 1988 stellvertretende Bezirksjugendleiterin, danach bis 1993
Bezirksjugendleiterin. Von 1991 bis 2003 war Herzlieb Gauschützenmeisterin und
die erste Frau in Bayern, die einen solchen Posten in der damals von Männern
dominierten Schützenwelt übernahm.
Die
Öffentlichkeits- und Pressearbeit war eine ihrer Stärken. Sie war lange Jahre
als freie Berichterstatterin für die Main-Post aktiv. Schützenberichte aus
dieser Zeit trugen alle die Handschrift Herzliebs und brachten den Schießsport
nach vorne.
Die Krönung ihrer
ehrenamtlichen Arbeit war die Herausgabe einer Dokumentation über das
Schützenwesen im Schützengau Kitzingen und die Erstellung der Chronik und
Festschrift zum 600-jährigen Jubiläum der Königlich privilegierten
Schützengesellschaft Kitzingen.
Herzlieb wurde mit
dem Ehrenbrief des Landkreises und dem Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten für
Verdienste im Ehrenamt geehrt und zur Ehren-Gauschützenmeisterin ernannt. Zudem
erhielt sie die Bürgermedaille der Stadt Kitzingen.
e): Dagmar Voßkühler (1944 – 2013)
Dagmar Voßkühler
war Lehrerin, war aber in der Bevölkerung allgemein bekannt
als ehrenamtlich
engagierte Frau. Sie war Vorsitzende des Fördervereins Alte Synagoge, im
Arbeitskreis Asyl der Caritas, im „Inner-Wheel-Club“ der Rotarier, aber auch in
der Pflege des jüdischen Friedhofs in Rödelsee.
Ihr besonderes
Augenmerk lag im Kampf gegen das Vergessen der Nazi-Verbrechen. Sozial
benachteiligte oder durch Kriegswirren traumatisierte Kindern half sie durch
ihre Initiative zur Hausaufgabenbetreuung.
Die Anerkennung
der Gesellschaft für Ihr Wirken spiegelte sich in der Verleihung des
Kuno-Meuschel-Preises (2000) und des Dr.-Erwin-Rumpel-Preises (2012).
Herr Jakubczyk als
Bauherr des erweiterten Baugebietes favorisiert diesen Namen.
- weitere Anmerkungen:
Auf einen Vorschlag für eine Lage- bzw. Flurbezeichnung hat die Verwaltung verzichtet, da die Grundstücke in der Flurlage „Am Frohnberg“ liegen und eine „Frohnbergsstraße“ zu viel Ähnlichkeit mit dem bereits bestehenden Frohnbergsweg hätte und zu Verwechslungen führen würde.
Das bereits vorhandene Gebäude „Am Wilhelmsbühl 42 a“ (Familie Sylvia und Jens Ullmann) wäre künftig durch die neue Straße erschlossen. Familie Ullmann lehnt aber eine Umbenennung Ihres Anwesens ab. Dem kann die Verwaltung folgen.
Die Grundstücke Fl.Nr. 1734/2 und 1734/4 sind sowohl durch die Straße Am Wilhelmsbühl als auch künftig durch die neue Straße erschlossen. Diese Grundstücke sind aber bereits jetzt für die Nummerierung 42 bzw. 44 vorgesehen, daher ist hier keine Änderung veranlasst, die Hausnummern der neuen Straße beginnen daher erst ab der jetzigen Fl.Nr. 1734/1 zu laufen.
Siehe hierzu auch den beiliegenden Lageplan.
1. Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.
2. Die Erschließungsanlage im Baugebiet „Am Wilhelmsbühl“ (Privatmaßnahme der Jaku Projektentwicklung Am Wilhelmsbühl GmbH und Co. KG) erhält den Namen:
a. Hedwig von Schlesien Straße (oder Hedwig-Straße)
alternativ:
b. Bella-Fromm-Straße
alternativ:
c. Katharina-Schuck-Straße
alternativ:
d. Edith-Herzlieb-Straße
alternativ:
e. Dagmar-Voßkühler-Straße