Betreff
Bahnlärm in Kitzingen - Antrag Bürgerinnen und Bürger vom 20.04.2012, "Einberufung einer öffentlichen Sondersitzung des Stadtrates zur Thematik Bahnlärm in Kitzingen und dessen negative Auswirkungen auf das Befinden der betroffenen Bürger"
Vorlage
170/2012
Art
Sitzungsvorlage (Beschluss)

 

1.        Begründung des Antragstellers

 

Die Belastung der Kitzinger Bürger durch den Schienenlärm ist in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen und hat bestehende Immissionsgrenzwerte überschritten. Als Verursacher dieser Belastung steht die Deutsche Bahn in der Verantwortung. Da die Frequenz der Bahnstrecke lt. Prognose der DB bis zum Jahr 2015 deutlich ansteigen soll und bereits veranlasste Lärmminderungsprogramme nicht den gewünschten Erfolg brachten, steht die Stadt Kitzingen nun in der Verantwortung die Bürger der Stadt vor gesundheitsgefährdenden Lärmimmissionen zu schützen.

 

Aus beiliegender Anlage (Antrag der KIK-Stadtratsfraktion) können weitere Begründungen die u. a. auf die Diskrepanz zwischen den momentan gesetzlich geregelten Berechnungsverfahren und den wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen hinweisen entnommen werden. Zudem werden Vorgaben für Lärmmessungen benannt.

 

 

2.        Stellungnahme der Verwaltung

 

a)        Allgemein

Bei der Stadt Kitzingen sind in den vergangenen Monaten etliche Beschwerden von Bürgern, die entlang der Gleisanlage DB Trasse Würzburg – Fürth wohnen, eingegangen. Die Kitzinger Bürger empfinden die Lärmimmission aus dem Zugverkehr, vor allem in den Nachtstunden, als starke Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität.

 

b)        Anspruch auf Lärmvorsorge

Grundsätzlich bildet das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) die gesetzliche Grundlage des Lärmschutzes. Durch weitere Verordnungen und Richtlinien wird die Handlungsweise beschrieben bzw. vorgegeben. Diese sind jedoch nur für Lärmvorsorgemaßnahmen, im Zuge von Neubaumaßnahmen oder wesentlichen Änderungen an Verkehrswegen, zwingend anzuwenden. Für Schienenwege die vor dem 1. April 1974 gebaut oder wesentlich geändert wurden besteht derzeit kein rechtlicher Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen. Ein Anspruch würde nur bei einem Neubau oder einer wesentlichen Änderung (nach dem 1.04.1974) eintreten.

 

Eine wesentliche Änderungen besteht wenn:

Ø        Der Schienenweg um ein oder mehrere durchgehende Gleise erweitert wird.

Ø        Durch erheblichen baulichen Eingriff des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Lärms um mindestens 3 dB(A) steigt. Hinweis: Der Austausch von Schwellen z. B. von Holz- auf Betonschwellen liegt knapp unter 3 dB(A) und fällt somit nicht unter einer wesentlichen Änderung!

Ø        Durch einen erheblichen baulichen Eingriff der dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehende Lärm auf mindestens 70 dB(A) am Tag und/oder auf mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird.

 

Da sich nach der Gesetzeslage wesentliche Änderungen auf die Erweiterungen von bestehenden Anlagen bzw. erheblichen baulichen Eingriffen stützen, solche aber nach dem 1.04.1974 an den Schienenwegen im Stadtgebiet Kitzingen nicht vollzogen wurden, besteht demnach kein Anspruch auf eine Lärmvorsorge, die die Einhaltung von gesetzlich bestimmten Immissionsgrenzwerten sicherstellt.

 

c)        Lärmsanierung – Freiwillige Leistungen

Für Lärmschutzmaßnahmen an Schienenwegen die vor dem 1.04.1974 gebaut wurden gibt es die Möglichkeit von Lärmsanierungsmaßnahmen, auf die jedoch kein rechtlicher Anspruch besteht. Lärmsanierungsmaßnahmen sind freiwillige Leistungen. Gesetzliche Grenzwerte bestehen nicht, nur Orientierungswerte, die jedoch deutlich über den Grenzwerten einer Lärmvorsorge liegen.

 

Lärmsanierungsmaßnahmen können über Förderprogramme, auf die jedoch kein Rechtsanspruch besteht, abgewickelt werden. Der Bund stellt der DB Netz AG jährlich Fördergelder zur Verfügung. Im Stadtgebiet Kitzingen wurden bereits Lärmsanierungsmaßnahmen in den letzten Jahren durchgeführt. Zu diesen Maßnahmen zählen u. a. die im Stadtgebiet Kitzingen sowie in Sickershausen errichteten Lärmschutzwände sowie zahlreiche Maßnahmen des passiven Lärmschutzes.

 

d)        Planfestgestellte Lärmschutzmaßnahmen durch den Bau der Nordtangente BA I

Im Planfeststellungsverfahren wurde eine umfangreiche Lärmberechnung, die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt geprüft und von der Regierung von Unterfranken als richtig befunden wurde, erstellt. Als Bemessungsgrundlage für aktive sowie passive Lärmschutzmaßnahmen wurden prognostizierte Verkehrszahlen für das Jahr 2015 herangezogen. Die steigenden Zugzahlen, gegenüber dem Zeitpunkt der Planfeststellung, sind bereits in der Lärmberechnung enthalten.

 

Grundsätzlich werden gemäß Bundes-Immissionsschutzverordnung bei Neubaumaßnahmen nur die rein durch die Maßnahmen verursachten Lärmemissionen berücksichtigt. Da jedoch bei der Baumaßnahme Nordtangente BA I sehr hohe Vorbelastungen aus dem Bahnverkehr vorliegen, wurde hier zusätzlich der Gesamtlärm aus Straßenverkehr und Bahn, im Zuge des Planfeststellungsverfahrens, als Summenpegel berechnet. Hierdurch ergeben sich erhöhte Anforderungen an den Lärmschutz, die mit der planfestgestellten Planung technisch erfüllt sind.

 

Bezüglich der neuen Lärmschutzwand Nr. 6 entlang der DB-Trasse Würzburg Fürth (unterhalb Wohngebiet Eselsberg) hat die Stadt Kitzingen Ende September 2011 eine Stellungnahme der DB Netz AG erhalten. In dieser wird versichert, dass die neu erstellte Lärmschutzwand auf der gleiszugewandten Seite mit hochabsorbierenden Elementen ausgeführt wurde. Die Wände entsprechen in vollem Umfang den Anforderungen aus dem Planfeststellungsverfahren. Sämtliche Zulassungen der Deutschen Bahn AG und des Eisenbahnbundesamtes (EBA) liegen der Stadt Kitzingen vor. Aus bautechnischer Sicht sind somit die erforderlichen Anforderungen eingehalten.

 

Die Verwaltung hat die Ansätze der Lärmberechnungen aus dem Planfeststellungsverfahren noch mal überprüfen lassen. Hierzu wurden aktuelle Zugzahlen aus dem Fahrplan 2012 von der DB Netz AG zur Verfügung gestellt. Ein Vergleich zwischen der Prognose aus dem Planfeststellungsverfahren (für 2015) und der derzeitigen Zugbelastung hat ergeben, dass momentan sich die Summe der Züge tags von 198 auf 163 Züge pro 16 h reduziert, nachts von 56 auf 68 Züge pro 8 h erhöht hat. Die reinen Emissionspegel aus dem Zugverkehr haben sich hierdurch in der Summe tags von 72,9 auf 71,5 dB (A) vermindert und nachts von 72,4 auf 73,7 dB (A) erhöht. Dies lässt allerdings noch keine Rückschlüsse auf die Beurteilungspegel an den einzelnen Gebäuden zu. Des Weiteren ist die Entwicklung der Zugzahlen ungewiss. Wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Bahn bei evtl. steigenden Zugzahlen nicht zur Durchführung von zusätzlichen Schallschutzmaßnahmen verpflichtet ist.

 

Im Januar 2012 wurde u. a. die momentane Verkehrsbelastung auf der Nordtangente zwischen Alter Poststraße und Kreuzung B8 gezählt. Demnach liegt die momentane Verkehrsbelastung unter 1/3 der prognostizierten Verkehrszahlen aus dem Planfeststellungsverfahren. Die weitere Entwicklung ist abzuwarten.

 

e)        Lärmmessungen/-Berechnungen

Der Gesetzgeber sieht für die Abwicklung von Schallschutzmaßnahmen nur die Methode der Lärmberechnung vor. Messungen vor Ort werden weder für den Ist-Zustand noch für den Ausbauzustand vorgesehen und sind insofern nach den gesetzlichen Vorgaben auch ungeeignet. Dies begründet sich u. a. darin, dass bei Lärmmessungen sämtliche auftretenden Geräusche (wie z. B. auch Rasenmäherlärm, Vogelgesänge, laute Musik etc.) erfasst werden, die jedoch aus den durch Verkehr verursachten Lärm nicht separiert werden können. Auch haben Witterungseinflüsse starken Einfluss auf Messungen.

 

Für die Bemessungspegel, die die Grundlage für Schallschutzmaßnahmen bilden, sind Rechenverfahren in der Verkehrslärmschutzverordnung vorgeschrieben. Lärmberechnungen auf Grundlage der gültigen eingeführten Richtlinien gewähren eine wirklichkeitsnahe Beurteilung, da die mathematischen Berechnungen auf konkrete Messungen beruhen. Die Berechnung der maßgebenden Beurteilungspegel, die für die Beurteilung und Bemessung der Lärmschutzmaßnahmen anzusetzen sind, ist zudem in der Regel für die betroffenen Anlieger günstiger als Messungen.

 

f)          Kosten für Lärmmessungen

Der Verwaltung liegen derzeit folgende Schätzkosten für Schallimmissionsmessungen incl. Auswertung der Messdaten und Dokumentationsbericht vor:

 

Ø        1-Tages-Messung (bzw. Nacht) an einem Immissionsort                     rd. 1.800 €

Ø        8-Tage-Dauermessung an einem Immissionsort                                  rd. 3.500 €

Ø        8-Tage-Dauermessung an jedem weiteren Immissionsort                    rd. 3.000 €

 

g)        Fazit

Lärmmessungen sind nur für den internen Gebrauch verwendbar und begründen keinen Rechtsanspruch auf Schallschutzmaßnahmen.

 

Da sich aus Lärmmessungen keine Rechtsansprüche ableiten lassen und mit hohen Kosten (Steuergelder) zu rechnen ist, kann die Verwaltung der Stadt Kitzingen die Durchführung von Lärmmessungen nicht empfehlen.

 

h)        Haushalt

Im Haushaltsplan sind derzeit keine Ansätze für Lärmmessungen an Schienenwegen im Stadtgebiet enthalten. Sollte die Ausführung von Lärmmessungen gewünscht werden, müssen hierfür Gelder im Haushalt eingestellt werden.

 

i)          Sondersitzung des Stadtrates

Die Verwaltung sieht auf Grundlage der derzeitigen rechtlichen Situation eine Sondersitzung des Stadtrates als nicht zielführend an. Vielmehr sollten die Bürger der Stadt Kitzingen im Rahmen einer öffentlichen Bürgerversammlung über die momentane Rechtslage informiert werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.        Ergebnis aus dem Sondierungsgespräch mit DB Netz AG und Regierung von Unterfranken vom 04.06.2012

 

a)        Allgemein

Am 04.06.2012 fand zwischen der Stadt Kitzingen, der DB Netz AG und der Regierung von Unterfranken ein Sondierungsgespräch bzgl. des Bahnlärms im Stadtgebiet Kitzingen statt. Bei diesem Termin wurden Fakten und Daten allgemein sowie in Bezug auf die aktuellen Beschwerden aus der Baumaßnahme Nordtangente BA I ausgetauscht. Die Ergebnisse werden im Folgenden kurz dargestellt.

 

b)        DB Netz AG

Ø      Die DB Netz AG weist darauf hin, dass seitens der Bahn keine rechtlichen Verpflichtungen zu Schallschutzmaßnahmen im Stadtgebiet Kitzingen bestehen. Auf den Bestandsschutz für Schienenwege die vor dem 1. April 1974 erbaut wurden wird hingewiesen.

Ø      Lärmmessungen haben keinen Einfluss auf Schallschutzmaßnahmen. Sollten der DB Netz AG Messergebnisse vorgelegt werden, haben diese keinerlei Auswirkungen (können lediglich zur Kenntnis genommen werden).

Ø      Freiwillige Leistungen können nicht gewährt werden. Hierzu stehen der DB Netz AG keine Mittel zur Verfügung.

Ø      Das durch den Bund geförderte Lärmsanierungsprogramm im Stadtgebiet Kitzingen ist laut Aussage der DB Netz AG abgeschlossen. Weitere Maßnahmen können nicht durchgeführt werden.

Ø      Geschwindigkeitsreduzierungen, vor allem in den Nachtstunden, werden von der DB Netz AG aus betriebstechnischen Gründen abgelehnt. Es wird darauf verwiesen, dass durch Geschwindigkeitsbegrenzungen nur geringe Lärmreduzierungen erricht werden können, da sich u. a. gleichzeitig die Durchfahrtsdauer erhöht.

Ø      Die DB Netz AG sagt zu, den Zustand der bestehenden Gleise zu prüfen. Sollten technische Mängel, die zu einer zusätzlichen Lärmbelästigung führen,  an den Gleisen festgestellt werden, so sollen diese umgehend behoben werden.

Ø      Ab 2013 sollen gem. DB Netz AG emissionsabhängige Trassenpreise eingeführt werden. Züge mit höheren Emissionen müssen dann auch höhere Preise für die Benutzung der Gleisanlagen bezahlen. Hierdurch wird seitens der Bahn eine Verbesserung der Lärmproblematik erhofft.

 

c)        Regierung von Unterfranken

Die Regierung von Unterfranken ist für die Erstellung eines Lärmaktionsplanes im Stadtgebiet Kitzingen zuständig.  Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeiten zur Umsetzung der Vorschläge aus dem Lärmaktionsplan nicht geregelt sind. Dies bedeutet, dass vorerst keine direkten Lärmschutzmaßnahmen infolge des Lärmaktionsplanes zu erwarten sind. 

 

d)        Abschließend

Als allgemeines Ergebnis wird zur Kenntnis genommen, dass aufgrund der momentanen Rechtslage keine Hilfen für die Bürger an Schienenanlagen zu erwarten sind. Ohne gesetzliche Änderungen können die Kommunen keine Maßnahmen einfordern.

Eine Änderung der Gesetzeslage ist aufgrund der wirtschaftlichen Folgen nicht in Aussicht.

 

 

1.        Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.

 

2.        Einberufung einer öffentlichen Sondersitzung des Stadtrates zur Thematik „Bahnlärm in Kitzingen  und dessen negative Auswirkungen auf das Befinden der betroffenen Bürger“. In dieser Sitzung sollen geeignete Maßnahmen zur deutlichen Reduzierung der vom Schienenverkehr der Deutschen Bahn ausgehenden Lärmimmissionen im Stadtbereich Kitzingen beschlossen werden.

 

3.        Im Vorfeld der unter Ziffer 2. beantragten Sondersitzung sollte ein demokratischer Anhörungstermin, bei dem alle beteiligten Parteien wie die Stadtverwaltung Kitzingen, die Deutsche Bahn, unabhängige Fachleute aus Wissenschaft und Medizin sowie Verkehrsexperten teilnehmen und die Bürger sowohl ihre Fragen vorbringen als auch ihre Stellungnahmen abgeben können.

 

4.        Für die im Brennpunkt stehenden Stadtbereiche sind Lärmmessungen auf wissenschaftlicher Basis vorzunehmen. Es sind Messungen nach dB(A) und dB(C) durchzuführen.