Betreff
Tax Compliance;
hier: Einführung einer Tax-Compliance-Richtlinie
Vorlage
2021/276
Art
Sitzungsvorlage (Beschluss)

Die Stadt Kitzingen ist als juristische Person des öffentlichen Rechts wie jeder Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet, vollständige und richtige Steuererklärungen abzugeben. Aufgrund der Komplexität im Steuerrecht kann es trotz größter Sorgfalt bei der Abgabe von Steuererklärungen zu Fehlern kommen. Insbesondere betrifft die Steuerpflicht folgende Steuerarten:

 

    Lohnsteuer, z. B. Erfüllung der Arbeitgeberverpflichtungen; Besteuerung von Arbeitseinkommen (Geldwerter Vorteil und Sachbezüge)

     § Grundlagen: § 8, § 41, § 41a, § 41b ff. EStG

 

    Umsatzsteuer, z. B. Besteuerung des umsatzsteuerlichen Unternehmensbereichs, Besteuerung von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland (Wechsel der Steuerschuldnerschaft § 13b UStG, innergemeinschaftlicher Erwerb § 1a UStG)

 

    Körperschaft- und Gewerbesteuer, z. B. Besteuerung der Gewinne der Betriebe gewerblicher Art, Grundlage: § 4 KStG

 

    Einkommensteuer, z. B. Steuerabzug nach §§ 48 bis 48 d bei Bauleistungen, Kapitalertragsteuer bei Betrieben gewerblicher Art

 

Vor allem im Hinblick auf die Erweiterung der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch Anwendung des § 2 b UStG, der spätestens ab dem 01.01.2023 greift, ist mit einer zunehmenden Anzahl von umsatzsteuerlichen Fragestellungen zu rechnen. Mit dem Anstieg von Sachverhalten, die der Besteuerung unterliegen, steigt das Risiko einer nicht vollständigen Steuererklärung.

 

Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten ist somit noch stärker als bisher in den Vordergrund zu stellen.

 

Eine fehlerhafte, verspätete und unvollständige Abgabe von Steuererklärungen stellt für die Stadt Kitzingen ein erhebliches finanzielles und politisches Risiko dar.

Darüber hinaus kann es strafrechtliche Konsequenzen für den gesetzlichen Vertreter, für die Verwaltungsleitungen sowie für verantwortliche Beschäftigte nach sich ziehen. Dennoch können objektiv unrichtige Steuererklärungen nicht ausgeschlossen werden. Die Ursachen liegen in dem dezentralen Verwaltungsaufbau, komplexen Sachverhalten und unscharfen Abgrenzungsregelungen zwischen den steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Betätigungsbereichen der Stadtverwaltung.

Wird nach Abgabe der Steuerklärung erkannt, dass diese unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann bzw. bereits gekommen ist, ist unverzüglich eine Berichtigung nach § 153 AO vorzunehmen. Da es in den letzten Jahren deutliche Verschärfungen im Steuerstrafrecht gab, ist es nicht auszuschließen, dass im Fall einer solchen Berichtigung vom Finanzamt eine straf- bzw. bußgeldrechtliche Vorwerfbarkeit des Erklärenden geprüft wird.

Ein Fehler ist straf- bzw. bußgeldrechtlich nur dann vorwerfbar, wenn er vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde. Für eine Steuerhinterziehung reicht bereits ein bedingter Vorsatz aus. Ob im Einzelfall Vorsatz oder Leichtfertigkeit anzunehmen ist und welcher der verschiedenen Vorsatzformen konkret vorliegt oder aber nicht, ist häufig juristisch nur schwer abgrenzbar.

 

Zur Abgrenzung führt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.05.2016 unter der Randnummer 2.6 aus:

„Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann. Folglich kann ein erfolgreich eingerichtetes Kontrollsystem bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zugunsten der juristischen Person des öffentlichen Rechts und ihrer handelnden Personen gewertet werden.

 

Gerade deshalb führt die Stadtverwaltung Kitzingen ein innerbetriebliches Kontrollsystem (Tax Compliance Management System) ein.

 

In einem TCMS sind die Grundsätze und Maßnahmen zur Einhaltung der steuerlichen Regeln und Pflichten, unter Einbeziehung der Organisationsstrukturen, zusammengefasst und dokumentiert, die ein rechtmäßiges Verhalten der Amtsleitungen sowie der Sachgebiete & Einrichtungen gewährleisten.

 

 

Ein angemessenes TCMS basiert auf sieben – miteinander in Wechselwirkung stehenden - Grundelementen:

 

-     Tax Compliance – Kultur:

Festlegung von Grundeinstellungen und erwarteten Verhaltensweisen, bezogen auf die Einhaltung der steuerlichen Pflichten, Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. Die Amts-Sachgebiets-, und Einrichtungsleitungen haben eine Vorbildfunktion.

 

-     Tax Compliance – Ziele:

Sicherstellung der vollumfänglichen Erfüllung der steuerlichen Pflichten. Erlass einer Dienstanweisung, Einführung von vorbeugenden Maßnahmen und aufdeckenden Kontrollen, um dieses Ziel zu erreichen, wie z. B. die Einführung eines digitalen Vertragsmanagements und Rechnungsschreibungsprogrammes (Einhaltung der Vorschriften vom § 14 UStG).

 

-     Tax Compliance – Organisation:

Festlegung von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten und einer lückenlosen und überschneidungsfreien Ablauforganisation mit entsprechender Dokumentation,

wie z. B. die Benennung von TCMS Partnern im Sachgebiet/der Einrichtung -> Kooperation mit der Steuerverwaltung.

 

-     Tax Compliance – Risiken:

Systematische Risikoerkennung (z. B. Kontrolle der Rechnungen § 14 UStG für die Vorsteuer) und Risikobewertung, differenziert nach Steuerarten (z. B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer).

 

-     Tax Compliance – Programm:

Einführung von präventiven und detektivischen Maßnahmen, um Verstöße zu vermeiden. Erlass von Richtlinien und Checklisten, TCMS Partner bestimmen, Festlegung von Vertretungs- und Unterschriftsbefugnissen, anlassbezogene und stichprobenartige Kontrollen, Dokumentation.

 

-     Tax Compliance – Kommunikation:

Sensibilisierung und Information der TCMS Partner über das Programm, die festgelegten Rollen und Verantwortlichkeiten, sowie über die Risiken.

 

-     Tax Compliance – Überwachung und Verbesserung:

Überprüfung der organisatorischen Vorkehrungen und Maßnahmen, Umsetzung von festgestellten Verbesserungsmöglichkeiten, Dokumentation.

 

Für die Stadt Kitzingen wurde eine auf die Stadtverwaltung zugeschnittene Tax Compliance Richtlinie erarbeitet. Diese orientiert sich am Muster des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, der die Praxishinweise zur Ausgestaltung und Prüfung eines TCMS des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW PS 980) als Grundlage herangezogen hat.

 

Auf die beigefügte Anlage 1 „Richtlinie zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten bzw. Vermeidung von Verstößen gegen die Steuergesetze der Stadt Kitzingen (Tax Compliance Richtlinie)“ wird verwiesen.

 

Mit der Einführung der Tax-Compliance-Richtlinie und damit des TCMS soll die vollständige und fristgerechte Erfüllung der steuerlichen Pflichten sichergestellt werden, um dadurch finanziellen Konsequenzen und persönliche Haftungsrisiken zu minimieren bzw. zu vermeiden. Ein weiteres Ziel ist die Sensibilisierung der Führungskräfte, der Sachgebiete/Einrichtungen und TCMS Partner auf die steuerrechtlichen Sachverhalte.

 

1.    Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.

 

2.    Der Sitzungsvorlage beigefügten Anlage 1 „Richtlinie zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten bzw. Vermeidung von Verstößen gegen die Steuergesetze der Stadt Kitzingen (Tax Compliance Richtlinie)“ wird zugestimmt. Sie tritt am 01.01.2022 in Kraft.