Betreff
KIK-Antrag Nr. 169/3-2017: Neufassung der Straßenausbaubeitragspflicht in Kitzingen
Vorlage
2017/099
Art
Sitzungsvorlage (Beschluss)

 

I.       Mit Schreiben vom 19.03.2017 hat die KIK-Fraktion im Kitzinger Stadtrat den Antrag Nr. 169/3-2017 „Neufassung der Straßenausbaubeitragspflicht in Kitzingen“ eingereicht, siehe Anlage.

 

II.      Stellungnahme der Verwaltung:

 

Mit diesem Antrag wird Bezug genommen auf die Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes seit dem 01.04.2016, die neben vielen einzelnen Regelungen insbesondere das Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht betrifft.

 

1.    Vorgeschichte der Gesetzesänderung:

 

Auslöser der Gesetzesinitiative war die heftige Diskussion um den Straßenausbaubeitrag, welcher in Einzelfällen zu hohen Belastungen von Beitragspflichtigen führen kann. Aufgrund von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG i. V. m. dem Grundsatz des Vorrangs der Einnahmebeschaffung aus besonderen Entgelten vor Steuern gemäß Art. 62 Abs. 2 GO sind die Gemeinden und Städte verpflichtet, für die Erneuerung und Verbesserung von Ortsstraßen Straßenausbaubeiträge zu erheben, es sei denn, sie verfügen über eine besonders herausragende und dauerhaft gesicherte Haushaltslage, vgl. VGH München, Urteil vom 09.11.2016.

 

Beitragspflichtig sind bisher alle Grundstücke, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer ausgebauten Ortsstraße ein besonderer Vorteil vermittelt wird. Von dem insgesamt beitragsfähigen Aufwand ist immer auch ein Eigenanteil der Gemeinde abzuziehen, der dem Vorteil für die Allgemeinheit entspricht. Der umlagefähige Aufwand wird sodann vorteilsgerecht nach einem in der Ausbaubeitragssatzung festzulegenden Maßstab auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt. Heftige Kritik an dieser Art der Refinanzierung von Investitionsaufwand für Ausbaumaßnahmen führte zu einer Expertenanhörung im Landtag am 15.07.2015. Zuvor hatte die Stadt München medienwirksam und letztlich unbeanstandet Ende 2014 ihre Straßenausbaubeitragssatzung aufgehoben. Eine Umfrage des Ministeriums des Innern, für Bau und Verkehr ergab, dass im März 2015 ca. 73 % der Gemeinden über eine Ausbaubeitragssatzung verfügen. Damit hatten zu diesem Zeitpunkt ca. 500 Gemeinden keine Straßenausbaubeitragssatzung. In Unterfranken liegen die Gemeinden mit 97 % bei einer vollständigen Deckung, in Niederbayern verfügen lediglich 39 % der Gemeinden über eine Straßenausbaubeitragssatzung.

 

  1. Neue Regelungen

 

a)      Grundsätzliche Hinweise zu den wiederkehrenden Beiträgen

 

 

Mehrere Bundesländer, so z. B. Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Schleswig-Holstein haben bereits wiederkehrende Beiträge eingeführt. Beim wiederkehrenden Beitrag handelt es sich nicht um ein Ansparmodell, bei dem alle Grundstückseigentümer einer Gemeinde den Straßenausbau über regelmäßige Zahlungen in „moderate Höhe“ mitfinanzieren, sondern um eine andere Form der Refinanzierung des tatsächlich entstandenen Aufwands für Straßenausbaumaßnahmen, die auch bei Erhebung einmaliger Beiträge beitragsfähig wären. Die Last wird lediglich auf einen größeren Kreis von Beitragsschuldnern verteilt. Grundstücke, die bisher bei der Einzelabrechnung nicht zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen werden konnten, werden auch zukünftig im Rahmen der Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen nicht beitragspflichtig sein (z. B. Splittersiedlung im Außenbereich an einer Gemeindeverbindungsstraße).

 

b)      Voraussetzungen für die wiederkehrenden Beiträge:

 

aa)   Die Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebietes oder abgrenzbarer Gemeindeteile sind zu Einrichtungseinheit(en) zusammen zu fassen. Diese Einheiten vermitteln allen Grundstücken, für die die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer der Verkehrsanlagen besteht, denselben Vorteil (Bereitstellung des Verkehrsnetzes der gesamten Einrichtungseinheit) und fassen sie somit zu einer Solidargemeinschaft zusammen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass zur wegemäßen Erschließung eines bestimmten Grundstückes allein die Straße, an der es liegt, regelmäßig nicht ausreicht. Vielmehr wird der Anschluss an das übrige Verkehrsnetz meist erst über mehrere Verkehrsanlagen vermittelt.

 

bb) Die Bildung von rechtmäßigen Einrichtungseinheiten wird die größte Herausforderung darstellen. Über die Einführung ist regelmäßig sorgfältig unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat für das beitragspflichtige Grundstück einen konkret-individuell zurechenbaren Vorteil gefordert, so dass die Zusammenfassung aller Verkehrsanlagen im Gemeindegebiet voraussichtlich die Ausnahme bleiben wird. Ob die zu einem Beitrag herangezogenen Grundstücke einen konkret-individuell zurechenbaren Vorteil aus dem Ausbau einer Verkehrsanlage ziehen können, hängt nicht von der politischen Zuordnung des Gebietes, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe der Gemeinde, der Existenz eines zusammenhängenden Gebietes, der Topografie sowie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und breiteren Straßen oder der tatsächlichen Straßennutzung. Besteht ein solcher Vorteil für alle Grundstücke nicht gleichermaßen, wie dies regelmäßig in größeren Städten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet der Fall sein wird, läge mit der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vor. Deshalb dürfte in größeren Städten, in zersiedelten Gemeinden und in Städten mit großen Bahnanlagen und Flüssen die Bildung mehrerer Einrichtungseinheiten erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die Annahme einer einheitlich öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen werden.  Nach derzeitigen Erkenntnissen müßten auch für das Stadtgebiet Kitzingen verschiedene Einrichtungseinheiten gebildet werden.

 

cc)   Voraussetzung für die Einführung des wiederkehrenden Beitrages ist darüber hinaus die Erfassung aller Verkehrsanlagen, für die die Erhebung von Ausbaubeiträgen in Betracht kommt. Damit ist zu prüfen, ob alle Ortsstraßen bereits erstmals hergestellt sind. Hier hilft ab 01.04.2021 die Herstellungsfiktion für die Erschließungsanlagen, deren Beginn der erstmaligen Herstellung über 25 Jahre zurückliegt. Im Übrigen empfiehlt sich die Aufstellung eines langfristigen Ausbauprogramms, dem die Einteilung der Ortsstraßen eine Prioritätenliste zugrunde gelegt werden sollte. Weiterhin sind alle beitragspflichtigen Grundstücke mit den jeweils beitragsrelevanten Daten zu erfassen. Hierbei sollten satzungsgemäß die Grundstücke für einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren vom wiederkehrenden Beitrag freigestellt werden, für die bereits ein Einmalbeitrag gezahlt wurde (Übergangsregelung). Dazu zählt der Erschließungsbeitrag ebenso wie eine privatrechtliche Zahlung aufgrund eines Erschließungsvertrages aber auch ein nach vorherigen Satzungsrecht bezahlten Einmalbeitrag für den Straßenausbau.

 

dd)   Wichtig ist auch die grundlegende Entscheidung, ob die Gemeinde den wiederkehrenden Beitrag aufgrund des jährlich entstehenden Investitionsaufwands oder basierend auf einem Kalkulationszeitraum von bis zu fünf Jahren ermitteln will.

 

Daher ist die Höhe des wiederkehrenden Beitrages innerhalb einer Einrichtungseinheit von vielen Faktoren abhängig:

 

-        Höhe des jährlich entstehenden tatsächlichen Aufwandes oder des durchschnittlich voraussichtlich im Kalkulationszeitraum entstehenden Aufwandes

-        Größe der Einrichtungseinheit

-        beitragspflichtige Fläche unter Berücksichtigung der Freistellungen

-        Höhe des Gemeindeanteils

 

Folglich ermitteln sich für die verschiedenen Einrichtungseinheiten auch verschiedene Beitragssätze. Bei der jährlichen Berechnung kann es in einer Einheit zu starken Schwankungen der Beitragshöhe kommen, ebenso wie zu Jahren, in denen mangels Aufwand kein Beitragsanspruch entsteht. Innerhalb eines Kalkulationszeitraumes bleibt hingegen die Beitragshöhe gleich. Der Beitragsanspruch entsteht in diesem Fall auch dann jeweils zum 31.12. für das abgelaufene Kalenderjahr, wenn ausnahmsweise in einem Jahr kein Investitionsaufwand angefallen ist. Am Ende des Zeitraums sind jedoch Unter- oder Überdeckungen auszugleichen, in dem sie im folgenden Kalkulationszeitraum Berücksichtigung finden.

 

ee)   Der Gemeindeanteil wird einheitlich für eine Einrichtungseinheit festgelegt, er soll mindestens 25 % betragen. Dabei wird der gesamte Verkehr innerhalb der Einheit als Anliegerverkehr betrachtet und nur der Verkehr, der durch die Einheit hindurch geht ist maßgeblich für den Vorteil für die Allgemeinheit und damit für die Höhe des Gemeindeanteils. Innerhalb der Einheit kommt der Gedanke der Solidargemeinschaft insoweit zum Tragen, als dass die Verkehrsbedeutung der einzelnen Straßen keine Rolle mehr spielt. Beitragspflichtige Grundstücke an reinen Anliegerstraßen zahlen denselben Beitragssatz wie Grundstücke an Hauptverkehrsstraßen oder sogar innerhalb der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße. Eckgrundstücksvergünstigungen innerhalb der Einheit fallen weg. Sie sind allenfalls denkbar für Grundstücke, die an zwei Verkehrsanlagen liegen, die zu zwei verschiedenen Einrichtungseinheiten gehören oder innerhalb einer Einrichtungseinheit an einer zweiten Verkehrsanlage liegen, die von einer Freistellung im Rahmen der Übergangsregelung betroffen ist.

 

  1. Handlungsbedarf seitens der Gemeinde infolge der Änderung des KAG , Empfehlung des Bayerischen Städtetages

 

Die Einführung der wiederkehrenden Beiträge soll insbesondere den Gemeinden eine Alternative eröffnen, die bisher noch keine Straßenausbaubeitragssatzung erlassen haben, aber aufgrund der Beibehaltung der „Soll-Regelung“ und mangels herausragender Haushaltslage zukünftig Straßenausbaubeiträge erheben müssen.

Durch das Inkrafttreten der KAG-Änderungen zum 01.04.2016 besteht entsprechend der Empfehlungen der Kommunalen Verbände seitens der Kommunen, die bisher Straßenausbaubeiträge aufgrund einer Satzung über die Erhebung von einmaligen Beiträgen erhoben haben, kein Handlungsbedarf. Allenfalls ist zu prüfen, ob weitere Billigkeitsregelungen Eingang in die Satzung finden sollten. Wird die Einführung der wiederkehrenden Beiträge erhoben, so ist grundsätzlich von überstürzten Entscheidungen abzuraten, da hiermit nicht nur ein erheblicher Verwaltungsaufwand in der Einführungsphase, sondern auch ein hohes Prozessrisiko verbunden ist. Das zeigen die zahlreichen Urteile aus anderen Bundesländern, die sich mit der Frage der zulässigen Bildung von Einrichtungseinheiten befasst.

 

Der Bayerische Städtetag schreibt:

„Angesichts dieser differenzierten Vorgaben ist in Städten und Gemeinden mit mehreren, nicht klar abgrenzbaren oder heterogenen Ortsteilen dringend von der Einführung wiederkehrender Beiträge abzuraten.“ ( vgl. Anlage 2 zu dieser Sitzungsvorlage)

 

  1. Seitens der Verwaltung empfohlene weitere Vorgehensweise:

 

-      Es bleibt grundsätzlich bei der einmaligen Beitragserhebung, die Einführung wiederkehrender jährlicher Straßenausbaubeiträge wird nicht eingeführt.

-      Die Ausbaubeitragssatzung der Stadt Kitzingen wird dennoch überarbeitet im Hinblick auf weitere Billigkeitsregelungen sowie andere Änderungserfordernisse im Hinblick auf zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung.

 

 

Die Kommunale Initiative Kitzingen beantragt im gesamten Stadtgebiet ab 01.01.2018 die bislang übliche einmalige Beitragspflicht für die Erschließung von neuen Baugebieten mit Straßen, Plätzen und Wegen sowie bei Straßenerneuerung durch einen jährlichen Straßenausbaubeitrag zu ersetzen und die Beitragssatzung entsprechend zu ändern.

Die Stadtverwaltung wird beauftragt, dem Stadtrat bis zur Sommerpause 2017 eine Beschlussvorlage mit verschiedenen Varianten zur Umsetzung vorzulegen.